Quarta edizione 2007 • vincitore seconda categoria

GrenzmÜtter

Carmen Valentinotti

Carmen Valentinotti

Ich bin 1958 in Caldes (TN) im Val di Sole geboren. Ich lebe in Trient, wo ich an der Rudolf Steiner- Schule das Fach Werken unterrichte. Ich liebe meine Arbeit sehr und ich habe schon immer gerne geschrieben, Geschichten, die ich selbst erfinde oder die mir das Leben vorschlägt. Für die Kinder habe ich Märchen, Reime und kleine Theaterstücke geschrieben, sowie einige Weihnachtserzählungen, ein Erdkundebuch und die Geschichte eines Kindes, das Otto heißt. Meine beiden Kinder und die zahlreichen Schüler, die mir beim Erzählen zugehört haben, sind mein Publikum, meine Anerkennung und – warum nicht – auch meine Inspirationsquelle gewesen.

LE MOTIVAZIONI DELLA GIURIA

Ein Ereignis wie viele, über „Krieg, Schande und Leidenschaft“, wird zu einer uns berührenden Lobrede auf das Leben und die Liebe, die keine Grenzen kennen und manch eine überraschung bereit halten. Alles beginnt mit einem alten Brief, durch den plötzlich eine lange verschwiegene Wahrheit ans Licht kommt: Die Erzählerin findet heraus, dass sie die Tochter eines Deutschen ist, den die Mutter zu Kriegszeiten kennengelernt hatte.
Doch aus der Vergangenheit taucht auch ein Bruder, oder Halbbruder, auf, auch er Sohn dieses Deutschen mit den so hellen Augen, den so zarten Händen.

IL RACCONTO

Ich merkte sofort, dass dieser Brief sehr wichtig war, doch ahnte ich noch nicht wie sehr. Ich erkannte die Handschrift meiner Mutter, aber man sah sofort, dass eine starke Gemütsregung sie zum Schreiben getrieben hatte, weil sie ihre obsessive und melancholische Genauigkeit vernachlässigt hatte. Sie muss außerdem schlechtes Schreibzeug gehabt haben, vielleicht einen alten Halter mit abgestumpfter Feder, hier und da sah man nämlich kleine, nervöse Tintenspritzer.

Ich bitte dich um Verzeihung, auch wenn meine Schuld sehr groß ist. Hier zu Hause machen mir alle das Leben zur Hölle; meine Schwestern schreien unablässig, meine arme Mutter weint heimlich und ich bin fast froh darüber, dass mein Vater auf dem Friedhof ruht und diese ganze Verzweiflung nicht erleben muss...

An meinen Vater, der Brief war an meinen Vater gerichtet und das Datum verriet, dass er im Jahr vor meiner Geburt geschrieben worden war, einige Monate vorher... „Sieh mal an”, sinnierte ich mit einem verschwörerischen, weiblich verschmitzten Lächeln vor mich hin… „Da stellt sich womöglich noch heraus, dass Mutter schon vor der priesterlichen Erlaubnis ihren Rock gehoben hat...“

Mein Bruder war sehr streng zu mir und hat mich mit Namen genannt, die man gar nicht schriftlich wiederholen kann. Aber ich kann ihn verstehen, er schämt sich, er weiß nicht, was er tun soll. Die Kleider sind mir schon längst zu eng und die alten Weiber, die es noch nicht wissen, werden bald von meiner Todsünde erfahren...
Ich schlafe wenig, schlecht und ich sehe nur eine schwarze Zukunft vor mir...

Heilige Mutter Gottes! Aber ich war doch da, warum dann dieses ganze Leid, diese Scham! Was brauchte es schon, um es wieder gut zu machen? Konntet ihr es nicht eher tun? Ich meine, bevor du einen dicken Bauch bekommen hast?
Der Brief zittert in meinen Fingern und sehnt sich brennend danach, mir alles zu verraten...

Von dem Deutschen hat man nichts mehr gehört. Ich habe ihn nie mehr wieder gesehen. Er wird wohl nach österreich zurückgekehrt sein oder weiß Gott wohin; man sagt, er sei gestorben, aber ich habe nichts mehr von ihm gehört. Jetzt kommt mir alles wie ein Traum vor, doch das Lebewesen, das unter meinem Magen mit seinen Flügeln schlägt, erinnert mich daran, dass alles wahr ist. Man sagte mir auch, ich sei nicht die einzige in dieser Lage. Die Iole ist im siebten Monat schwanger. Auch sie behauptet, es sei der Deutsche gewesen.
Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll, ich weiß nicht, wie ich ihm nur glauben konnte, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist; aber ich will dich zumindest um Verzeihung bitten, und dann soll Gottes Wille geschehen.
Schmerzerfüllt
Celestina

Jetzt ist es nicht mehr der Brief, der zittert, sondern meine Beine. Ich atme tief ein und suche nach einer Erklärung, versuche, Ordnung zu schaffen. Ich drehe und wende das Blatt in meinen Händen, schaue noch einmal auf das Datum: Kein Zweifel, meine Mutter war schwanger mit mir. Ich suche weiter... Lieber Luigi, schreibt sie, ja genau, lieber Luigi, niemand anderer als mein Vater...
Der Deutsche... Welcher Deutsche?
Ich weiß nicht warum, aber ich muss weinen, ich kann es nicht verhindern. In einem einzigen Augenblick begreife ich den ganzen Sinn dieses Briefs und ich ziehe wie an dem Zipfel einer mit kostbarem Geschirr gedeckten Tischdecke, ich ziehe mit einem kraftvollen Ruck daran, damit alles herunterfällt und in tausend Stücke zerbricht. Im Herzen spüre ich das dumpfe Grollen dieser Katastrophe und denke an den Krieg zurück. Ich wurde zu Kriegszeiten geboren: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, doch jetzt kommt es mir vor, als stehe ich an vorderster Front. Der Deutsche... Von dem Deutschen hat man nichts mehr gehört… Die Iole ist im siebten Monat schwanger. Auch sie behauptet, es sei der Deutsche gewesen… Auch sie? Also du auch, Mama? Du auch? Auf einmal kommt die Wahrheit zum Vorschein, wie ein Weinfleck auf der Tischdecke breitet sie sich aus und färbt alles mit der Farbe des Blutes...
Der Deutsche ist mein Vater...
Man hat nichts mehr von ihm gehört.
Seit diesem Moment werde ich ungeduldig, obsessiv, ich beginne meine Mutter zu quälen und ohne mich um ihre Mühe, die Ringe unter ihren Augen und ihr Alter zu kümmern, reiße ich die Fragmente der Wahrheit, die ich brauche, wie Pflaster von ihren Wunden.
Sie ist resigniert, erzählt, und beginnt, ich weiß nicht warum, bei ihrer Ziege... so oft hat sie mir schon davon erzählt... von dieser Ziege, wegen der sie mit einer Blinddarmentzündung im Krankenhaus gelandet war… ich sehe die beiden fast vor mir...
Ziegen! Alle beide; die eine ganz und gar und die andere nur zur Hälfte, wie eine unbekannte mythologische Figur, über die es noch keine Sagen gibt. Die eine ein junges, widerspenstiges und ungehorsames Tier, die andere ein Mädchen mit strammen Beinen und den Waden einer Bäuerin, mit Gottesfurcht im Herzen, aber versehen mit dem Frühling des Blutes und der Welt, der in ihren Adern pulsiert...
Mit großen Sprüngen läuft das Tier die Weide hinunter; mit Teufelsaugen und dem vom Wind aufgerauten Fell, es springt aufgescheucht umher, schlägt glücklich aus, um die Maiwärme zu verehren. Frei, die Ziege weiß, dass sie frei ist, weil die steile und duftende Weide sich unendlich ausdehnt und das Mädchen zu jung ist. „Betta, du Biest, bleib stehen! Willst du, dass ich mir ein Bein breche, um dich wieder einzufangen?“
Betta, Abkürzung für „Barbetta“ oder Bärtchen, der Name der Ziege, Celestina oder „Himmelswesen“, Abkürzung für ihren göttlichen Ursprung, der Name meiner jungen Mutter. Sie schwingt den Stock in der Luft und die Strümpfe haben sich an ihren Knöcheln aufgerollt, der lange, dunkle Zopf ähnelt einem Schwanz. Sie springt wie eine Ziege umher und möchte gerne nach dem Wind schlagen, doch es gelingt ihr nicht, deswegen verehrt sie den Frühling mit dem Rot ihrer Wangen und den Schweißperlen auf der Stirn. Am Abend wiederkäut die Ziege, noch benommen von ihrem wilden Ritt, mit geschlossenen Augen ein trockenes, aber von duftenden Erinnerungen durchzogenes Heu. Der kurze Bart ist in Bewegung, und der Atem endlich ruhig. Doch das Mädchen kann nicht einschlafen; ein starker, pulsierender Schmerz zieht von der Leiste den ganzen Schenkel hinunter. Sie dreht und wendet sich, sucht verzweifelt nach einer anderen Position, doch diese Klinge sticht immer schärfer; der unverschämte Ritt des Tages hat Celestina in die Knie gezwungen. Die Ziege, hingegen, schläft ahnungslos und sanft auf ihrem Traumbett aus Düften und Heu.

„Warum erzählst du mir denn von deiner Ziege, Mama, warum jetzt...” „Hör zu, hör zu...“ Ich höre zu. Dieses Gerede über Ziegen scheint für sie eine Stütze zu sein und ich folge ihren Worten, als seien es Spuren. Der Schmerz vergeht, die Zeit läuft sich selbst hinterher und die Jahreszeiten kommen wieder, anders und doch immer gleich, um jenen Sicherheit zu geben, die keine andere haben.
Der März bringt Versprechen und Flüstereien mit sich, bewegt die Gemüter, die einen zu den anderen hin, und die Körper beben unverkennbar. Hinter den Kulissen des Krieges kommt der Deutsche zum Vorschein.
Celestina begegnet einem Blick, der zwar fremd ist, doch himmelblau wie ihr Name, verteufelt wie der Blick von Betta. Sie hört den Ruf der Verlockung des Heus, des Geruchs von gerade vergangener Kälte. Sie erinnert sich an keine Worte oder Gebote, sie spürt nur ihr bebendes Fell, ihr zischendes, fast rasendes Blut. Sie will keine Gespräche, sondern Haut, Berührung und Wärme, Speichel, Seufzer... Zuerst widersetzt sie sich und betet leise, weil sie noch keine Worte und Versprechen gehört hat, sie betet laut und faltet die Hände über der Brust, doch der Deutsche ruft sie, unverschämt und anmaßend. Während das Ave Maria in den Himmel hinauf schwebt, macht sich meine Mutter auf den Weg zu dem heimlichen Treffen und verzehrt dessen Frucht zwischen trockenen Kleeblättern, sich auf die Lippen beißend, um nicht gehört zu werden.
Die Zeit, die der Zeremonie im Heu folgt, bringt das Blut in ihrem Körper zum Stocken und zeitweise auch ihr Herz. Das geheime Leben offenbart sich schnell und der Schreck schnürt ihr die Kehle zusammen, lässt ihren Atem kürzer werden. Im Stall, im stechenden Stroh versteckt, schaut sie Betta an und fragt sie wütend: „Was mach ich, was mach ich jetzt?”

Das Tier antwortet ihr mit seinem frechen Blick: „Warte deine Zeit ab, lass das wachsen, was wachsen soll, bis es etwas anderes sein wird...“.
Celestina versteht nicht und weint.
Dann kommt der Moment der Ziege. Ihre Begegnung braucht keine Seufzer und bringt kein Meer von Tränen und Angst mit sich, sie wird zur Königin: Fortan wird sie Milch, Fleisch und Käse geben!
Betta wiederkäut und verwandelt Heu in Milch. Celestina weint und wird dick, für alle sichtbar, eine Schande.
Hier ein Freudenfest, dort ein Unglück.
Die Zeit nimmt sie beide auf und begleitet sie bis an die Schwelle der neuen Leben. Die Wehen der einen kündigen sich mit einem überraschten und erschrockenen Schrei an; die der anderen mit einem nur etwas längeren und lästigeren Meckern.
Celestina krümmt sich vor Schmerz und dreht sich um, um zu sehen, wer sie mit solcher Gewalt in den Rücken geschlagen hat… sie begegnet den Augen ihrer Mutter, welche die Grenze dieses Schmerzes schon mehrmals überschritten hat… Wenn dieser Schmerz einmal begonnen hat, gibt es kein zurück mehr, er nimmt rasend zu und verschlägt den Atem, galoppiert, schlägt aus wie die Hirtin und die Ziege im Mai auf der Weide.
Die Mutter bereitet ein Lager vor und tröstet, streichelt, erzählt, vergisst die Schande, doch dann hört sie aus dem Stall die Rufe des Tieres: „Die Arme!“ sagt sie zu sich selbst oder vielleicht über sich selbst.
Sie sieht zu, dass die Tochter sich hinlegt, und geht dann zur Ziege. Sie berührt ihr raues Fell und sagt zu ihr: „Weißt du noch, wie es geht?“ Sie versteht nicht, schnauft und senkt den Kopf.
Das alte, übliche Wunder des werdenden Lebens kündigt sich sowohl im Stall als auch im Haus an. Das Ritual wird von einer einzigen Frau vollzogen, Mutter, Hebamme, Hirtin, erfahren mit Schmerzen, Kindern und Ziegen.
Sie streichelt das Tier und läuft dann hinüber, um die Tochter zu trösten, sie entkleidet und wäscht sie, sie wartet mit ihr auf die Welle, die kommen wird, auf das Wellenmeer, das über sie hereinbrechen wird.
Die erste, die triumphiert, ist die Ziege: zwei magere Böcklein, zitternd und nass. Betta ist erschöpft, doch sie weiß, was sie zu tun hat. Celestina hingegen stöhnt und würde sich gerne ihrer Aufgabe entziehen, doch die Mutter redet ihr zu: „Bald ist es vorbei!“ Vorbei der Schmerz, ein neues Leben da, ein Mädchen.
Ein Kind, zwei Böcklein.

Ja Mama, ich habe verstanden, so bin ich auf die Welt gekommen. Es war noch Kriegszeit, auch wenn sich die Jahreszeiten nicht darum zu kümmern schienen; so bin ich also geboren, eine Schande, weil meine Mutter nicht verheiratet war, ein Unglück, weil mein Vater ein Deutscher war, eine Tragödie, weil man nichts mehr von ihm gehört hat.
Die Deutschen waren zu Feinden geworden, es stand sogar in der Zeitung. Man durfte ihnen keine Unterkunft, kein Essen und keinerlei Hilfe anbieten im Jahre 1945, aber meine Mutter gehorchte damals weder dem Gesetz noch dem Priester, und auch nicht dem Dorf... Sie verlor sich in den Augen dieses Feindes und ließ ihn reden, ließ ihn tun. Der Märzwind hatte jegliche Grenze zwischen Sünde und Schamgefühl ausradiert, die Grenzen waren wie verdunstet, durch die schlecht ausgesprochenen, aber schmeichelhaften Worte erhitzt... „Du bist schön Celestina, du bist schön...“ Es musste stimmen, ein Teufel konnte nicht so helle Augen, so zarte Hände haben... es musste stimmen...

Wird die Milch von Betta wohl für alle drei gereicht haben? Für ihre Böcklein und mich?

Sie werden tief und schmerzhaft wie Wunden, die Grenzen, wenn der Krieg die Länder teilt, doch die Leidenschaft hat starke Flügel, sie fliegt über alles hinweg; im Heuschuppen treffen sich die Männer, die Frauen und dann... der Krieg geht zu Ende, die Wunden verheilen... von dem Deutschen hat man nichts mehr gehört. Ich hatte nichts davon gewusst! Jetzt aber weiß ich über Betta Bescheid, die gerade dann entband, als meine Mutter dran war...

Und auf einmal, während ich ganz in dem verzehrenden Gefühl versunken bin, nicht zu wissen, wer mein Vater ist, überrascht mich ein Gedanke und rüttelt mich auf... „Die Iole... auch sie behauptet, es sei der Deutsche gewesen...“ Dann hat also dieser Teufel auch in ihrem Garten gesät... ich habe eine Schwester oder womöglich einen Bruder, oder es sind alle tot, wer weiß, welches Ende sie genommen haben… Wer wird wohl diese Iole sein? Ich muss es wissen.

Ich beginne wieder, meine Mutter zu quälen; sie nimmt meine Fragen wie eine Strafe für ihre Schuld hin. Es sind so viele Jahre vergangen, sogar die Erinnerung hatte aufgehört, in die gepeinigten und gefährlichen Gefilde des Deutschen zu schielen...
Ich verurteile meine Mutter nicht, die Idee der Sünde kommt mir nicht im Entferntesten in den Sinn. Etwas Unerklärliches atmet in meinem Blut, ein Drang zu wissen, nur zu wissen.
In Ihrem Geständnis erkenne ich wie Däumling die Steinchen, die mich geradewegs zu Iole führen... Auch sie behauptet, es sei der Deutsche gewesen... doch von ihr bleibt nur die Erinnerung übrig. Sie ist fort gegangen und hat ihre Geheimnisse mit sich genommen.
Wie ein Adler überkreise ich alles, was ich über sie erfahren kann, bis ich den Namen ihres Erstgeborenen erfahre und sein Geburtsdatum… sie ist im siebten Monat schwanger...
Marco: Marco ist zwei Monate älter als ich. Angesichts dieses Namens werde ich wieder zum Kind, die Beine zittern wie die von Bettas Böcklein, am liebsten möchte ich nur weglaufen, die dicken Strümpfe hochziehen und mich in einer Zeit verstecken, in der man Seil hüpft und den Hühnern des Nachbarn Streiche spielt...
Doch dieser Name ruft mich wie aus der Zukunft, auch wenn ich vorerst nur den süßlichen und mühsamen Geruch der Vergangenheit rieche. Vor lauter überlegungen verlässt mich mein Mut. Das Verlangen wird zur Angst, auf einmal zählt die Abwesenheit nicht mehr. Ich flüchte in den Trott der Gewohnheit und verbringe meine Tage, als ob es Marco nicht gäbe. Als ob.
In dieses Karussell von Kriegen, Erinnerungen, Feinden und Ziegen ist nun auch das Schicksal getreten; wie ein Webmeister arbeitet es an seiner alten Webkette, macht das Muster sichtbar, verteilt seine Botschaften, die Fäden verflechten sich; jetzt weiß auch Marco von dem Deutschen... er weiß von mir, kennt meinen Namen.
Er geht denselben Weg wie ich, gepflastert mit Staunen, überraschung, einem Gefühl der Leere, gar der Angst; noch nie gedachte und eigenwillige Gedanken, seine Däumlingssteinchen.

Als das Telefon läutet, ist es kurz vor Weihnachten und ich bekomme auf diese Weise mein Geschenk, das Wunder bricht unverschämt in meine häusliche Stille ein. „Hier ist Marco, bist du Anna?“ „Ja, das bin ich.“ „Wir sind Geschwister… ich würde mich gerne mit dir treffen...“

Genau das, das war es, was gesagt werden musste, nichts anderes. Er hat es getan und seine Worte haben gleich einer Zauberformel ein neues Kapitel in unseren Leben geöffnet. Für uns ist die Zeit gekommen zu entdecken, dass wir dieselbe Nase haben und, schau mal... auch die Hände... und ein ganzes Leben einander zu erzählen.
Es ist die Zeit gekommen, um einer Geschichte über Krieg, Scham und Leidenschaft ein Schlusswort über Begegnungen, Gefühle und Vollständigkeit anzuhängen.
Genau so, wie aus Grenzen Kriege entstehen können, so kann man durch deren überwindung stolz das Leben bejahen mit seinem vertrauten Leuchten des Regenbogens...
Hinter den Kulissen seiner unberechenbaren Bühne ist für mich ein Bruder zum Vorschein gekommen, eine Möglichkeit, alle Leidensakte, die unsere erschrockenen Grenzmüttern gespielt haben, mit unerwarteter Vertrautheit aufzuarbeiten.